Kaum ein Viertel hat in den vergangenen Jahren einen solchen Aufstieg hingelegt wie der Ortsteil Neukölln: Seit 2007 sind die Mieten um mehr als 150 Prozent gestiegen. Als neuer Szenekiez zieht das ehemalige Kleine-Leute-Viertel im gleichnamigen Bezirk Studierende, junge Berufstätige, Hipster und Künstler an – und ist auf dem Weg, eine etablierte Wohnlage zu werden. In diesem Artikel zeigen wir Ihnen, was das Leben im bunten, lebendigen Neukölln ausmacht und womit Investoren rechnen müssen.
Der Ortsteil Neukölln liegt im Norden des gleichnamigen Bezirks und wird auch als Nord-Neukölln bezeichnet. Er grenzt südlich an Kreuzberg und liegt innerhalb des S-Bahnrings.
Alternativer Charme und Aufbruchstimmung
Vegane Cafés und orientalische Bäckereien, Second-Hand-Läden und Shisha-Cafés: Diese bunte Mischung ist typisch für den quirligen Ortsteil Neukölln, der sich derzeit (noch) auf dem Weg zu etablierten Wohnlage befindet. Während sich auf den geschäftigen Hauptstraßen wie der Sonnenallee ein Geschäft an das andere und ein Café an das nächste reiht, geht es in den hübschen Seitenstraßen etwas ruhiger zu.
Hier zeigt sich die Veränderung, die Neukölln in den vergangenen Jahren durchlaufen hat, besonders deutlich. In den Erdgeschossen schöner Gründerzeithäuser, die nach und nach saniert werden, servieren hippe Bars und alternative Cafés Craft Beer und Hafermilch-Cappuccino. Kleine Second-Hand-Läden verkaufen Schätze aus zweiter Hand und Berliner Modelabels präsentieren ihre Kollektionen in ihren Boutiquen. Neukölln ist bekannt für seine – noch – günstigen Preise und bunte, pulsierende Restaurant- und Kneipenszene.
Durch die Straßen weht alternativer Charme; hier ist das bunte Berlin Kiezleben und die Aufbruchstimmung noch spürbar, für die Berlin bekannt ist – und die auch in Kreuzberg herrscht und auch etwa in Friedrichshain herrschte, bevor es ein etabliertes Wohnviertel wurde.
Geschichte Neuköllns: Aus dem Schatten der Mauer
Bei der Geschichte Neuköllns zeigen sich ebenfalls Parallelen zu Kreuzberg und auch zum Wedding. Der Ortsteil lag zu DDR-Zeiten im Berliner Westen direkt an der Berliner Mauer. Als Wohngebiet war die Gegend entsprechend weniger gefragt. Ab den 1960er und 1970er Jahren ließen sich Gastarbeiter in Neukölln nieder, die hier günstigen Wohnraum fanden – und damit den Grundstein für die bunte Community legten, die Neukölln heute ausmacht. Als die Mauer schließlich fiel, lag der Ortsteil zentral in Berlin.
Neukölln und die Flughäfen
Das nächste Ereignis, das Neuköllns Zukunft entscheiden sollten, war die Schließung des Flughafens Tempelhof. Lange hatte der Ortsteil in der Einflugschneise gelegen. 2008 ist hier das letzte Flugzeug gelandet. Seitdem ist Ruhe eingekehrt – und das hübsche Altbauviertel profitiert von einer guten Verbindung zum neuen Hauptstadtflughafen BER.
Beliebte Kieze
Kreuzkölln: Das ist der inoffizielle Begriff für das Gebiet, das den nördlichen Teil des Ortsteils Neukölln und das südliche Kreuzberg umfasst. Genau definiert sind die Grenzen nicht, manche verstehen unter Neukölln auch nur den Reuterkiez. Was Kreuzkölln ausmacht, ist die ähnliche städtebauliche Entwicklung: buntes Multikultileben, Hipster und Gründerzeitbauten.
Reuterkiez: Der Reuterkiez liegt in der oberen Spitze Neuköllns nordöstlich des Hermannplatzes und ist damit ein Teil Kreuzköllns. Er reicht im Süden bis zur Sonnenallee und westlich bis zur Wildenbruchstraße. In Stein gemeißelt sind diese Grenzen aber nicht, ein oder zwei Straßen mehr oder weniger können auch dazu gezählt werden. Letztlich ist ein Kiez auch ein Lebensgefühl.
Der Reuterkiez gilt als eines der hippsten Viertel Berlins. Er vereint die für Neukölln typische hohe Lebensqualität, eine pulsierende Bar- und Kneipenszene und eine sehr gute Infrastruktur. Auch das beliebte Maybachufer gehört zum Reuterkiez.
Schillerkiez: Zwischen dem Tempelhofer Feld, der Herrmannstraße, dem Columbiadamm und der Ringbahntrasse liegt der Schillerkiez. Ähnlich wie der Reuterkiez ist es ein buntes, lebendiges Wohnviertel mit einem großen Bar- und Café-Angebot. Und ebenso wie sein Nachbarkiez im Norden gilt der Schillerkiez als einer der schönsten Berlins. Mittelpunkt ist die hübsche Schillerpromenade, eine Allee mit Spazierwegen.
Wohnungsmarkt
Neukölln ist durch Gründerzeitbauten und einige Nachkriegsbauten geprägt. Wie auch der ganze Bezirk ist der Ortsteil dicht bebaut. Raum für Neubauprojekte ist kaum. Entsprechend wird im Norden des Bezirks so gut wie gar nicht neu gebaut, wie eine Grafik von CBRE und Berlin Hyp zeigt.
Neuköllner Mieten: Aufholjagd mit Kreuzberg
Seit 2007 sind die Mieten im Ortsteil Neukölln um mehr als 150 Prozent gestiegen. Auch wenn der Anstieg von einem niedrigen Niveau ausging – Stichwort Einflugschneise – sind die Mieten jetzt selbst im Berliner Vergleich hoch. Dem Wohnmarktreport 2022 von CBRE und Berlin Hyp zufolge lagen die Angebotsmieten in Nordneukölln in sieben von neun Postleitzahlengebieten über dem Berliner Mittelwert von 10,50 Euro pro Quadratmeter. In acht von neun Gebieten fordern Vermieter eine höhere Miete als das Bezirksmittel von 9,91 Euro pro Quadratmeter.
Im Reuterkiez werden im Mittel sogar Mieten von mehr als 12 Euro gefordert, im oberen Marktsegment sogar von mehr als 20 Euro. Hier zeigt sich, dass der Neuköllner Mietmarkt zu seinem Nachbarn im Norden aufschließt. Und es ist wahrscheinlich, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird.
Lediglich östlich des Neuköllner Schifffahrtskanals liegen die Mieten deutlich niedriger. Neben Gewerbegebieten dominieren Einfamilienhäuser und Zwischenkriegsbauten. Hier liegt auch die High-Deck-Siedlung, eine denkmalgeschützte Wohnsiedlung mit 2.000 Wohnungen aus den 1970er und 1980er Jahren.
Leben in Neukölln
Alles direkt vor der Haustür:
- Gastronomie
Neukölln ist für seine internationalen Restaurants und Imbisse sowieso seine lebendige Bar- und Kneipenlandschaft bekannt. In den kleinen Seitenstraßen finden sich insbesondere unkonventionelle Restaurants und hippe Cafés.
- Shopping
Berliner Modelabels, Second-Hand-Läden oder ein feministischer Buchladen – in Neukölln findet sich alles, was das Hipster-Herz begehrt. Berühmt ist der Flohmarkt Nowkoelln Flowmarkt am Maybachufer, auf dem private Händler und Kunsthandwerker von April bis Oktober ihre Schätze verkaufen. Gewöhnliche Supermärkte gibt es auch.
- Kultur
Kleine Galerien wie LOKAL art & event space und Kinos wie das Movimiento und das Independentkino IL KINO bieten Unterhaltung und Inspiration für hippe Urbanisten.
- Entspannung im Freien
Die Lebensader Neuköllns ist der Landwehrkanal. Vor allem im Sommer ist das Maybachufer der Place to Be, um sich zu verabreden, zu flanieren oder ein Feierabendbier zu trinken. Oder eine Runde mit dem Schlauchboot zu fahren. Ideal zum Entspannen im Grünen ist der Volkspark Hasenheide. Im Sommer zeigt das Freiluftkino im Park internationale Filme. Auch der Körnerpark lädt zum Spazieren und Entspannen ein.
Auf der anderen Seite des Columbiadamms beginnt eine der berühmtesten Sehenswürdigkeiten Berlins: Das Tempelhofer Feld. Der größte Teil des Feldes liegt im benachbarten Tempelhof, ein Eingang aber in Neukölln. Das ehemalige Flughafengelände ist heute die größte innerstädtische Freifläche der Welt. Auf den Asphaltwegen fahren die Besucher Fahrrad, Rollschuhe und GoKart, hier gehen Leute spazieren, joggen, oder sonnen sich auf den weitläufigen Wiesen. Ein Volksentscheid ergab 2014, dass das Gelände nicht bebaut werden darf.
Neue Berliner Wahrzeichen in Neukölln
Neukölln entwickelt sich ständig weiter. Derzeit entstehen hier zwei Großprojekte, die nicht nur den Ortsteil, sondern die gesamte Stadt prägen werden. Eines davon ist der Umbau bzw. die Erweiterung des Karstadt-Hauses am Hermannplatz. Auf Basis des bestehenden Gebäudes soll ein neues mit zwei 60 Meter hohen Türmen entstehen, das sich an dem historischen Bau von 1929 orientiert. Das ursprüngliche Gebäude im Art-Déco-Stil wurde im 2. Weltkrieg größtenteils zerstört.
In dem rekonstruierten, neuen Gebäude sollen neben Karstadt auch Büros und Wohnungen untergebracht sein. Eine Dachterrasse von 3.200 m² soll der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Der Bau soll 2023 starten, 2027 soll das Gebäude fertig sein. Das Bauvorhaben ist umstritten: Kritische Stimmen befürchten, dass das Projekt die Gentrifizierung des Ortsteil weiter beschleunigen und der umliegende Einzelhandel unter dem Projekt leiden wird. Kritik kommt außerdem vom Baustadtrat Friedrichshain-Kreuzbergs (das Gelände liegt auf der Grenze zwischen dem Bezirk und Neukölln). Er fühlte sich bei der Planung übergangen.
Neuer Tower für Neukölln
Mit dem Estrel Berlin steht das größte Hotel der Hauptstadt in Neukölln. Demnächst wird es um einen 176 Meter hohen Turm erweitert. Auf insgesamt 45 Etagen sollen (weitere) 525 Hotelzimmer, Serviced Apartments, Büro- und Co-Working-Flächen sowie eine Veranstaltungslocation entstehen. Ein bepflanzter Innenhof soll der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.
Das Gebäude soll außerdem besonders nachhaltig sein: Geplant ist ein neuartiges Energieversorgungskonzept mit Hilfe von Wasserstoff, das besonders viel CO2 einspart. Außerdem soll das Dach begrünt und mit Photovoltaikanlagen versehen sein. Der Bau hat bereits begonnen, fertiggestellt werden soll der Tower Ende 2024.